(Quelle: Streifzüge 22/2000 - Prälat Johann Ascherl)
Das Gotteshaus von Kössing, eine Filialkirche von Böhmischbruck, betritt man am besten durch die jetzige Sakristei. Sie war nämlich einmal der Altarraum einer kleinen gotischen Vorgängerkirche, die mitten in einem Friedhof stand. Das wird bewiesen durch die verschiedene Dicke des Mauerwerkes und durch einen gemauerten Altar, der in fast einem Meter Tiefe entdeckt wurde. Das gotische Gewölbe, ein Schlussstein und gotische Rippenkonsolen wurden später entsprechend nachgebaut.
In späterer Zeit hat man auf den sechseckigen Altarraum einen achteckigen Turm gesetzt. Als die Kirche sichtlich zu klein wurde, wurde die Kirche selbst abgetragen und an die Südseite eine größere neue, barocke Kirche gefügt.
Wann ist das geschehen? Die Gotik dauerte bei uns von 1200 bis 1600. Am Turm befindet sich - nicht mehr am ursprünglichen Platz - eine Tafel mit der Inschrift und Jahreszahl H. P. R. 1676. Anlässlich der Renovierung von Turm und Dachstuhl 1999 entdeckte man im Dachgebälk die Zahl 1756, das Jahr, in dem dieser Dachstuhl zusammen mit dem Kirchenbau entstand. Rätselhaft und weniger aussagefähig ist die Zahl 1687 auf dem Altarpult.
Die erste urkundliche Nennung des Ortes 1353 und der Ortsname mit der Endung "ing" lassen vermuten, dass die erste Bauphase in der Zeit der zweiten bairischen Siedlungswelle liegt. Und baufreudig war auch die Zeit des Barock.
Petrus und Paulus sind die Kirchenpatrone. Auf der größeren Kirchenglocke steht der lateinische Wahlspruch: "Der Apostel Petrus und der Lehrer der Völker Paulus, sie haben uns dein Gesetz gelehrt, oh Herr".
Die Holzplastiken der Ordensgründer Benedikt (mit Abtstab und Mitra) und Dominikus (mit Rosenkranz) flankieren das Altarbild der Kirchenpatrone. Nach ursprünglicher barocker Manier sind sie wieder weiß gefasst. Denn nach der Offenbarung des Johannes haben die Auserwählten im Himmel ihre Gewänder weiß gewaschen im Blut des Lammes (7, 14). Dieser Altar könnte früher in einer anderen Kirche gewesen sein.
Die Kanzel aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, geschmackvoll in Farbe und Form, ähnelt der in der Pfarrkirche von Böhmischbruck und war früher näher am Altarraum. Nach örtlicher Überlieferung war die Empore früher an beiden Längswänden des Kirchenschiffs, wofür auch Balkenlöcher im Mauerwerk sprechen, die bei der Sanierung sichtbar wurden.
Johannes Nepomuk ist ein Brückenheiliger. Früher war seine Figur an der Außenseite des Turmes Wind und Wetter ausgesetzt. Dieser ursprüngliche Standort entsprach auch seiner Bestimmung. Denn vor der Ortssanierung floss durch den Ort ein Bächlein, das jetzt verrohrt ist; so wurde auch ein Brücklein, das sich einst nahe der Kirche befand.
Wettersegen ist in Kössing groß geschrieben. Das zeigt das Doppelkreuz auf dem Dachfirst, ein "Scheyrer Kreuz", das an eine Kreuzpartikel erinnert, die im oberbayerischen Kloster Scheyern verehrt wird. Der Segen wird gespendet mit der kleinen Monstranz, die vor dem Tabernakel steht. Sie enthält eine Berührungsreliquie des Regensburger Märtyrerbischofs Emmeram, der Anfang des 8. Jahrhunderts in Kleinhelfendorf südlich von München zu Tode gefoltert wurde. Das Wetter segnen, heißt Gott preisen nach dem Bibelwort: "Preiset den Herrn, aller Regen und Tau, ... all ihr Winde, ... Feuer und Glut, ... Frost und Hitze, ... Eis und Kälte, ... Licht und Dunkel; lobt und rühmt ihn in Ewigkeit" (Daniel 3, 64ff).
Neben der schon erwähnten Glocke der Kirchenpatrone Petrus und Paulus (gegossen 1911) hängt eine kleinere auf dem Turm. Sie trägt das Bild des bayerischen Bauernsohnes und Kapuzinerbruders von Altötting, des hl. Bruders Konrad (1818 - 1894). Sie wurde 1934 gegossen, im Jahre der Heiligsprechung. Der Wahlspruch "Im Geringsten am größten" war damals im "Tausendjährigen Reich" wie eine Provokation für den neuen "Herrenmenschen". Eine dritte Glocke ist seit dem Krieg verschollen. Sie war 1777 in Eger gegossen worden, musste 1943 abgeliefert werden (im Herrschaftsgebiet des Deutschen Reiches wurden damals 59.000 Kirchenglocken in Kanonen umgeschmolzen). 13.851 Glocken entgingen diesem Schicksal und kehrten vom Hamburger "Glockenfriedhof" wieder zurück. Wo die Kössinger Glocke geblieben ist, wissen wir nicht.
Glocken läuten im kosmischen Einklang von Tages- und Lebenslauf der Menschen und dem Heilsgeschehen. Menschlicher Zeitablauf wird versetzt in Gleichzeitigkeit mit der Heilsgeschichte. Deshalb sind die Glocken mehr als ein bloßes akustisches Zubehör zum Leben eines Dorfes oder zum Gottesdienst.