Bilder: Alois Köppl

Wallfahrtskirche Sankt Jodok in Tännesberg

Am Osteingang Tännesbergs liegt am Rande des weitläufigen Tännesberger Forstes direkt an der alten Handelsstraße Weiden – Cham die Wallfahrtskirche Sankt Jodok. Mit ihrem markanten Dachreiter und einem vergoldeten Kreuz auf dem First ziert sie den Ortseingang von Oberviechtach kommend. Sie wird im Volksmund auch „die Gost“ genannt. Das hängt vermutlich mit dem Namen Jodok (Kämpfer) zusammen, der im norddt. Jost, fränk. Jobst, helv. Jost, engl. Joyce gerufen wird. Es ist die einzige Kirche in der Oberpfalz, die dem im frühen Mittelalter sehr verehrten Heiligen geweiht ist. Jodok ist der Patron der Pilger, Kranken, Fischer und Bauern. Er lebte von 600 bis 669 in der Bretagne. Als Fürstensohn   schlug er das Erbe seines Bruders aus. Er führte stattdessen ein Leben als Einsiedler in der Picardie(F). Sein Sterbetag ist der 13. Dezember. Das Altarbild des Hochaltars zeugt von seinem Einsiedlerleben und der Bereitschaft, sein letztes Brot mit einem Bettler zu teilen. Die Mimik des Mitbruders in der Klause spiegelt das Entsetzen darüber wider. Später soll ihm das Brot in einem Kahn wieder gebracht worden sein. Der Bettler war Jesus Christus. Aus der Klause erwuchs die Benediktinerabtei St. Josse sur Mer. Viele Menschen pilgern in ihren Anliegen zur Jodokkirche in Tännesberg.

 

Erst ab dem Jahr 1550 taucht die Wallfahrtskirche regelmäßig in den Quellen auf. Erbaut wurde sie in früherer Form jedoch schon im 11. Jhdt. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Kirche ein Raub der Flammen und vollständig zerstört. Der Strom der Pilger riss aber nicht ab. So wurde die in der Bevölkerung beliebte Kirche wieder errichtet, und im Jahr 1690 in der heutigen Form feierlich konsekriert. Im selben Jahr trugen Wiener Pilger ein zentnerschweres  Kreuz von Wien aus hierher. Dort wütete die Pest, der sog. „schwarze Tod“. Ca. 50.000 Tote waren damals zu beklagen. Die aufgeschichteten Gebeine der Umgekommenen liegen heute noch in den Katakomben des Stephansdoms. Als die Pilger mit dem Kreuz hier ankamen, ereilte sie die Nachricht vom Ende der Epidemie. Das Kreuz ließen sie aus Dankbarkeit zurück. Es hängt heute an der nördlichen Seitenwand gegenüber einer wertvollen, frisch restaurierten Marienfigur. Die schwarzen Altarblätter, und das Bildnis der Schutzheiligen St. Sebastian und St. Rochus am linken Seitenaltar, weisen auf die Kirche als sog. „Pestkirche“ hin. Rochus zeigt mit dem Finger auf eine Pestbeule auf seinem Oberschenkel und blickt fragend hoch zu einem Bildnis Christi. Im Hintergrund des Altarbildes sieht man die älteste Darstellung Tännesbergs aus dem Jahr 1680.

 

Auch der zeitliche Zusammenhang mit einem fürchterlichen Pestausbruch in Tännesberg, 1634, ist ein Indiz für eine Pestkirche.  Auf das Jahr 1796 geht der sog. Jodokritt zurück, der nach einer mehrjährigen  Unterbrechung wieder belebt wurde, und seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts jährlich feierlich begangen wird. Es grassierte eine verheerende Viehseuche in Tännesberg. Nach ihrem Ende gelobten die Bauern damals, in einer Prozession mit Pferden und kostümierten Reitern zusammen mit den Wallfahrern von der Pfarrkirche zur Jodokkirche zu ziehen. Auch die „Wiener Pilger“ in Mönchskutten gekleidet und dem Kreuz voran, sind fester Bestandteil des Kirchenzuges. Das Allerheiligste in der Monstranz wird auf einem festlich geschmückten Wagen, der mehrspännig von Pferden gezogen wird, als zentrales Element der Prozession mitgeführt.   In Aufzeichnungen der Pfarrei Skt. Jodok in Landshut wird berichtet, dass die Reliquien des Heiligen 1338 an die einzelnen  Jodokkirchen des damaligen Reichs Kaiser Ludwigs des IV. verteilt wurden, u. a. auch nach Tännesberg.

 

Sie wurden von einer persönlichen Dankwallfahrt des Reichsherrn nach St. Josse sur Mer (F) für seinen Sieg bei Ampfing/Mühldorf mitgebracht. Die Region um die Canche gehörte zu seinem Reichsgebiet. Reliquien waren für die Menschen in der voraufgeklärten Zeit unwahrscheinlich kostbar, weil ihnen die Heiligen anwesend sind als „göttliche Energieträger“ und „selbstverständliche Kraftquellen“ für ihr ungesichertes Leben. In einem kleinen, vergoldeten Schrein auf dem Tabernakel der Kirche befindet sich die Reliquie des hl. Jodok. Bei der Altarweihe des neuen Volksaltars 2022 wurde in den massiven Steinblock des Altars das sog. „Reliquiengrab“ eingelassen, mit den sterblichen Überresten der Diözesanpatrone St. Wolfgang, St. Erhard, und von der jüngsten Heiligen Anna Schäffer. Unter dem Marienaltar an der Nordwand ist in einem Glassarkophag eine liegende Wachsfigur des hoch verehrten hl. Nepomuk zu sehen. Das in den Schädel eingeflochtene Echthaar und die Haare der Augenbrauen werden als Reliquien des Schutzpatrons von Böhmen und der Habsburger angesehen. Der sog. Brückenheilige ist dargestellt im Priesterornat mit einem Sternenreif um den Kopf. Es sind immer 5 Sterne. Sie bedeuten die Anfangsbuchstaben des lat. Wortes t.a.c.u.i, „ich habe geschwiegen“. Für die beharrliche Weigerung, das Beichtgeheimnis zu brechen, wurde er auf Geheiß des Königs Wenzel des IV. in Prag von der Karlsbrücke in die Moldau gestürzt.

 

Eine weitere Besonderheit der Kirche ist die renovierte Barockorgel auf der hölzernen Empore aus dem Jahr 1850. Die aufwändig restaurierte flache Holzleistendecke, in Kassetten unterteilt, vermittelt beim Betreten der Kirche durch den Eingangsbau eine angenehme Wärme. 50 blattvergoldete, geschnitzte Holzrosetten zieren die Eckpunkte der Kassetten. Eine offizielle Anerkennung für die gelungene Außen- und Innenrenovierung unter Pfarrer Wilhelm Bauer von 2016 bis 2020, war die Verleihung der begehrten Bayrischen Denkmalschutzmedaille im Jahr 2021. In der Laudatio hieß es: „Die sich kraftvoll präsentierende, barocke Wallfahrtskirche wurde um neue Elemente von zurückhaltender Präsenz ergänzt, etwa um einen Volksaltar und einen Ambo aus massivem Grünsandstein“. Die elegant  seidenmatt polierte Oberfläche des 90 Millionen alten Anröchter Dolomitsteins fühlt sich angenehm kühl an und animiert zur Berührung. Bei der Außenrenovierung wurde der Dachstuhl saniert und das Dach mit einer hochwertigen Naturschiefereindeckung versehen. Das bayerische Ministerium für Wissenschaft und Kunst und das Landesamt für Denkmalschutz schreibt in ihrer Broschüre zur Preisverleihung: „Die Kirchenverwaltung St. Michael hat durch das überdurchschnittliche Engagement, sowie durch den Einsatz von Zeit und nicht unerheblichen Geldmitteln den Erhalt dieses Denkmals sichergestellt und ein prägendes Gebäude der Oberpfalz in seiner Art und Nutzung für künftige Generationen bewahrt.

 

Hans Maier, Kirchenpfleger